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07/10/1999 Michael
Rein
last
update 10/05/2001
|
Glück auf!
Qualmende Schlote ragen in den Himmel, Rußwolken
verdunkeln die Sonne, und Manni hat nach der Maloche unter Tage nur noch Sinn
für seinen Manta. Wer fährt schon freiwillig ins Ruhrgebiet, ins kulturelle
Niemandsland? Immer mehr kommen her, und sie erleben Erstaunliches! Aus dem
wirtschaftlichen Ballungsraum wurde ein kultureller Hotspot mit Freizeitparadiesen
im Grünen. Trotzdem: Der Kampf gegen die hartnäckigen Klischees, die
in der Boomzeit mit den Zechen um die Wette wuchsen, bleibt mühselig. Die
Wunden des industriellen Wildwuchses sind längst nicht verheilt, die Geburtswehen
des gegenwärtigen Strukturwandels nicht überstanden. Mit voller Kraft
macht sich das Revier auf in die Zukunft, ohne seine Vergangenheit zu leugnen:
Zechen, Eisenhütten und Arbeitersiedlungen werden nicht einfach abgerissen,
sondern als Zeugnisse einer vergangenen Epoche bewahrt. Künstler haben
das unverwechselbar Ambiente als Kulisse für Konzerte, Theater und Ausstellungen
erobert. Gegen Ende des Jahrtausends soll die internationale Bauausstellung
den >>Emscher Landschaftspark<< präsentieren, der für das neue
Image des Ruhrgebiets steht. Das häßliche Entlein Emscher so schön
wie das idyllische Ruhrtal – wer weiß? Das Ruhrgebiet jedenfalls gilt
als Modell für den sensiblen Umgang mit dem industriellen Nachlaß.
Und den verdankt es nicht zuletzt den Menschen, die hier leben. Mit dem Herz
auf der Zunge und hochgekrempelten Hemdsärmeln: so werden sie es schaffen.
Glück auf! – trotziger Stolz schwingt heute im alten Bergmannsgruß
mit, jene Aufbruchstimmung, die die Menschen in der Region eint und an ihr Morgen
glauben läßt.
Der Name "Ruhrpott" an sich ist schon nicht ganz
richtig, denn bislang sprach man immer vom "Ruhrgebiet" oder "Kohlenpott", kurz
"Pott". Doch in den letzten Jahren setzte sich im allgemeinen Sprachgebrauch
der "Ruhrpott" durch, bis zur vollstänidgen Legitimation, als 1997, zu
Zeiten des großen Bergarbeiterstreiks, aufgrund bevorstehender Zechenschließungen
(Menschen bildeten auf der Autobahn A 2 eine
95 km lange Menschenkette und demonstrierten so die Einigkeit des Ruhrgebiets
von West bis Ost), im Fußball-Revierschlager Schalke (S 04) gegen Dortmund
(BVB) das gesamte Schalker Stadion in den "Ruhrpott, Ruhrpott, Ruhrpott,..."
Gesang einstimmte. Dort zeigte sich, daß selbst Erzrivalen, wie die Borussen-
und S 04-Fans es schließlich sind, durch die Region, in der sie leben,
zusammgehalten werden.
Top Ten der Region:
Villa
Hügel: Das einstige Domizil der Familie Krupp wartet heute mit Kunst
und Kultur
ersten
Ranges auf.
Ruhrfestspiele
Recklinghausen: International angesehenes Musik- und Theatervestival.
Bergbau-Museum
Bochum: Hier wird Bergbau einst und heute hautnah vermittelt.
Schloß
Nordkirchen: Barockes Meisterwerk und beliebtes Ausflugziel im Grenzgebiet
zum
Münsterland.
Schiffshebewerk
Henrichenburg: Glanzstück der Schiffahrtstechnik, das Schiffe
über 14
Meter
nach oben oder unter hieven konnte.
Landschaftspark
Nord: Die Anlagen des stillgelegten Hüttenwerkes Thyssen-Meiderich
in
Duisburg bilden die Bühne für Kulturevents und Freizeitaktivitäten.
Duisburger
Hafen: Knotenpunkt der europäischen Binnenschifffahrt:
Hier werden jährlich
knapp 50 Mio. Tonnen Güter umgeschlagen.
Westfalenpark
Dortmund: Grüne Oase mit attraktiven
Freizeiteinrichtungen.
Gasometer
Oberhausen: Der ehemals größte Gasspeicher Europas ist heute
ein begehrter
Veranstaltungsort.
Cranger
Kirmes: Über 560jähriger Traditionsjahrmarkt ab jedem ersten
Augustwochenede.
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Was ist der Pott?
Aufgewachsen als gebürtiger Wanne-Eickler und begünstigt
durch die positive Einflußnahme des weltbekannten und sprichwörtlichen
Mondes selbiger Stadt im Herzen des Reviers, lebe ich derzeitig während
der Absolvierung meines Studiums in der Nachbarstadt Bochum. Doch kann man zwischen
den einzelnen Städten in dieser Region überhaupt unterscheiden? -
Nein, wenn nicht irgendwo am Straßenrand ein gelbes Ortsausgang- und Eingangschild
stünde, würde ein Ortsunkundiger dieses riesige Industriegebiet
als einer einzigen Stadt zugehörig erkennen. Es reihen sich, wenn nur der
Kern des Ruhrgebiets betrachtet wird, in 60 km Ost-West- und 30 km Nord-Süd-Ausdehnung
die Zentren der Großstädte Duisburg, Oberhausen, Bottrop, Gelsenkirchen,
Herne, Recklinghausen, Castrop-Rauxel, Dortmund, Bochum, Witten, Essen und Mülheim
a. d. Ruhr aneinander und verschmelzen trotz ihrer Indivitualität und Kultur
zu einem großen Komplex. Dies ist allerdings nur der innere Kern, außerhalb,
in den Randgebieten, hat die Großindustrie (Chemie, Stahl, Bergbau) ebenso
den Städten eben jene charakteristische Prägung der Region verliehen
wie im Pott selbst. Und so kann man unter dem erweiterten Bereich Ruhrgebiet
noch Dinslaken, Gladbeck, Marl, Lünen, Kamen, Hagen, Hattingen, Wuppertal
und sogar Düsseldorf nennen, obwohl sich dabei jedem eingefleischten Düsseldorfer
die Zehnnägel krumm biegen: er ist schließlich Rheinländer und
kein „Ruhri“.
Was macht den Pott heute aus?
Betrachtet man die ganze Region, so bietet das Ballungszentrum Ruhrgebiet ein fast unerschöpfliches Angebot an Kultur, sowohl Sinne von Theater, Oper und sonstigen Veranstaltungen, als auch an internationalen Traditionen. Dessen nicht genug, sind die ortsansässigen Fußballvereine, vertreten in allen Ligen, insbsondere Schalke 04, BVB Borussia Dortmund 09 und Rot Weiß Essen (vielleicht auch noch VfL Bochum) Bestandteil der Konfession einer großen Anzahl der hier lebenden Menschen. Fußball ist allgegenwärtig und eigentlich niemandem gleichgültig. Wie schon in der Szene des Films "Das Boot" gezeigt, als Hinrich sagte: "Schlechte Nachrichten Maenner. Schalke hat verlohren: 5:0.", zählt der Fußballsport als Hauptgesprächsthema bei der Arbeit (Maloche) genauso zum festen Bestandteil des alltäglichen Lebens wie das Kulturgut der eigenartigen Sprache, bestens präsentiert von Tana Schanzara, dem lebenden Maskottchen.
Ein
großes Kapitel nimmt auch das Thema Bildung ein. Mit Universitäten
in Düsseldorf, Duisburg, Essen, Bochum, Dortmund, Hagen und Wuppertal bietet
der Pott schon rein quantitativ das größte akademische Nachwuchspotential
Deutschlands. Aber auch Ausbildungsplätze gibt es hier in einer Fülle
und Mannigfaltigkeit, die im innerdeutschen Bereich ihresgleichen sucht.
Der Kulturaspekt ist in den letzten Jahren deutlich
hervorgehoben worden. Nicht nur, daß sich infolge der hohen Großstadtdichte
viele Theater-, Opern-, Kunst- und Designhäuser auf engstem Raum befinden,
die zudem durch Darbietungsqualität um die Gunst der rund 7 Mio. potentiellen
Konsumenten im Revier kämpfen. Es ist auch durch den voranschreitenden
Wandel vom sekundären über in den tertiären Sektor das "kulturhistorische
Kunstgut der Produktionsgeschichte" entstanden, welches sich in manigfaltigen
Präsentationen zunehmender Beliebtheit erfreut.
Desweiteren hat die Film- & Fernsehbranche
die eigenwillige Idylle des Großraumes und den unvergleichlich ehrlichen
und direkten Charakter der Einwohner erkannt , der zumeist in humorig ironischer
Art karikiert wird (Filmtip: Bang Boom Bang - Regiokomödie in übertrieben
ironischer Form, Kinofilm 1999).
Ruhrpott - Seiten: